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MEDICUS
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RECHT.
Dem Verfahren lag ein einfacher Sachverhalt zugrunde: Ein
HNO-Facharzt war seitens des Zulassungsausschusses als
Nachfolger eines verstorbenen Kollegen in einem überver-
sorgten Planungsbereich voll zugelassen worden. Gleichzei-
tig genehmigte der Zulassungsausschuss aber auch die An-
stellung dieses Arztes in einem MVZ. Dies entspricht dem in
§ 103 Abs. 4a SGB V verankerten Verfahren, nach dem eine
Anstellung eines zugelassenen Arztes in einem MVZ auch
in überversorgten Gebieten zu genehmigen ist, sofern die-
ser hierfür auf seine Zulassung verzichtet. Der betreffende
Arzt wurde im MVZ jedoch nur 23,5 Stunden wöchentlich
tätig und nutzte somit nicht seine volle Zulassung aus, son-
dern ging seiner Tätigkeit nach den bedarfsplanungsrecht-
lichen Rahmenbedingungen nur zu drei Vierteln nach. Etwa
anderthalb Jahre später verließ der Arzt das MVZ wieder. Die
vakante Stelle wollte das MVZ sodann mit einer vollen Stelle
nachbesetzen – genehmigt wurde aber nur eine zu 75 % aus-
gelastete Stelle. Gegen diese Entscheidung des Zulassungs-
ausschusses richtete sich die Klage des MVZ.
Das BSG wies die Klage in letzter Instanz ab. Zur Begründung
verwies es im Kern darauf, dass entgegen der landläufig oft
anzutreffenden Meinung der im MVZ angestellte Arzt sei-
ne Zulassung nicht in das MVZ „mitnehme“, sondern dass er
zugunsten der Anstellung darauf verzichte. Deshalb komme
es für die Nachbesetzung der Stelle bei seinem Ausscheiden
nicht darauf an, dass der Arzt vor Aufnahme der MVZ-Arbeit
eine volle Zulassung besessen habe, sondern allein darauf,
wie intensiv er in dem MVZ tätig gewesen ist. Nach diesen
Maßstäben war das MVZ nur berechtigt, die vakante Stelle
mit einem Maximalumfang von 30 Wochenstunden (Faktor
0,75) nachzubesetzen. Revision und Klage wurden daher zu-
rückgewiesen.
BSG erschwert Nachbesetzung im MVZ
In einem aktuellen Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG) kürzlich für Sprengstoff gesorgt. Konkret geht es in
der Entscheidung vom 04.05.2016 (Az: B 6 KA 21/15 R) um die Modalitäten bei der Nachbesetzung von Stellen
in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ).
Das BSG ließ es dabei jedoch nicht bewenden, sondern nahm
den Fall zum Anlass, darüber hinaus rechtsgestalterisch tätig
zu werden: Es hat offenbar einen Missstand darin erkannt,
dass die Anstellung in MVZ häufig nur zu dem Zweck erfol-
ge, die strengen Nachbesetzungsvorschriften zu umgehen.
Es sah dabei die Gefahr, dass der anzustellende Arzt nur pro-
visorisch tätig wird, dann aufhört und dem MVZ somit die
Möglichkeit einräumt, die geschaffene Anstellungskapazität
mit einem Wunschkandidaten zu füllen. Dies stehe der ei-
gentlichen Entscheidungskompetenz der Zulassungsgremien
entgegen. Deshalb folgert es in Anlehnung an die Regelung
zur Nachbesetzung von Zulassungen durch angestellte Ärzte
eines scheidenden Vertragsarztes, dass bei der Anstellung im
MVZ nachweislich die Absicht des Angestellten bestanden
haben muss, zumindest drei Jahre lang in dem MVZ zu ar-
beiten. Verlasse ein solcher Arzt vor Ablauf dieser Frist das
MVZ, hänge die Nachbesetzungskompetenz des MVZ von
den Gründen dafür ab.
In dem besprochenen Urteil hat sich das BSG zum wiederhol-
ten Male funktional in eine nahezu gesetzgeberische Stellung
begeben. Ob es hierbei unter Überschreitung seiner Kompe-
tenzen gehandelt hat, mag dahinstehen. Sicher ist, dass das
Urteil den Weg in das MVZ und die interne Nachbesetzung
erheblich erschwert. Es wird in den kommenden Jahren die
rechtsberatende Praxis auf diesem Gebiet mitprägen.
Dr. Karl-Heinz Schnieder
kwm - Kanzlei für Wirtschaft und Medizin
Tel. 0251 53599-52
www.kwm-rechtsanwaelte.deAuf einen Blick
Das BSG schränkt die Handlungsmöglichkeiten für
MVZen und Ärzte ungefragt ein.
Der Tätigkeitsumfang muss nach dem Verzicht
zugunsten der Anstellung dem Versorgungsumfang
entsprechen.
Eine langfristige Planung im Zusammenhang mit
der Praxisabgabe etc. ist unabdingbar.