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VR

MEDICUS

APOTHEKEN.

Das Problem des Ärztemangels tangiert die Bevölkerung in strukturschwachen Gebieten gleich in doppeltem

Ausmaß. Vakante Arztsitze können Apotheken in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Grund ist

die starke Abhängigkeit von ärztlichen Verordnungen durch die fehlende Laufkundschaft auf dem Land.

schließen ihre Pforten, weil das Geschäft zu unrentabel wird.

Die Rendite bei kleineren Apotheken, wie sie auf dem Land

häufig anzutreffen sind, ist geringer als jene der umsatzstär-

keren Durchschnittsapotheken. Ein weiterer Grund für das

Apothekensterben liegt in der oft vergeblichen Suche nach

einem Nachfolger; und auch hier gibt es Parallelen zu den

Ärzten: Ist die Region attraktiv für mich als Apotheker/Arzt

und gibt es hier Fachkräfte, die ich einstellen möchte? Bei-

de Berufsgruppen sind mittlerweile weiblich dominiert und

Frauen sind risikoaverser und machen sich seltener selbststän-

dig. Für beide Berufsgruppen gelten somit ähnliche Heraus-

forderungen, wenn es um Standortentscheidungen und die

Wahl „Stadt oder Land“ geht. Gut ausgebildete Fachkräfte

zieht es verstärkt in städtische Regionen und kleinere (Land-)

Apotheken bilden auch seltener selbst aus.

Trotz der rückläufigen Zahlen ist in Westfalen-Lippe die Ver-

sorgungssituation noch sehr gut bzw. überdurchschnittlich.

Auf 100.000 Einwohner kommen 24,4 Apotheken, im Bun-

desdurchschnitt sind es nur 24,2. Es gibt jedoch erhebliche

regionale Unterschiede, zum Beispiel müssen Patienten in

Herne oder Bottrop durchschnittlich weitere Wege bis zur

nächsten Apotheke in Kauf nehmen, da dort nur 19 bzw. 20

Apotheken auf 100.000 Einwohner kommen. In Münster hin-

gegen sind es über 33 bei entsprechend hoher Konkurrenz.

Dort ist aber auch die Ärztedichte – und hier zeigt sich wie-

Apotheken sind keine „normalen“ Einzelhändler. Da sie Me-

dikamente – und damit besonders schutzbedürftige Pro-

dukte – verkaufen, unterliegt ihre Geschäftstätigkeit viel-

fältigen Regularien. Unter anderem dürfen sie den Preis für

verschreibungspflichtige Medikamente nicht festlegen. Die-

ser ist vielmehr gesetzlich vorgegeben. Gleichzeitig muss das

verschreibungspflichtige Medikament von einem Arzt ver-

ordnet werden. Gibt es weniger Ärzte in einer Region, wird

auch weniger verordnet. Verschlechtert sich also die ärztliche

Versorgung, folgt automatisch eine Verschlechterung bei

der Arzneimittelversorgung. Denn die Patienten lösen ihre

Rezepte bevorzugt dort ein, wo sie zuvor ärztlich behandelt

worden sind, also eventuell weit(er) weg vom Wohnort.

Durchschnittlich machen hierzulande diese ärztlichen Verord-

nungen mit 86% den Großteil des Apothekenumsatzes aus.

Nicht nur der Preis für ein verordnetes Medikament, sondern

auch die Vergütung des Apothekers für dasselbe ist gesetzlich

geregelt. Pro verschreibungspflichtigem Präparat erhält er ei-

nen Fixbetrag in Höhe von 8,35 € je Packung (zuletzt erhöht

Anfang 2013). Mit seinem Verschreibungsvolumen sowie der

Art (sprich dem Preisniveau) der verordneten Medikamente

beeinflusst der Arzt somit maßgeblich den Arzneimittelver-

brauch und somit Umsatz sowie Marge des Apothekers.

Am meisten verordnen Allgemeinmediziner sowie Internis-

ten und Kinderärzte. Das Verordnungsvolumen je Rezept ist

am höchsten bei den Nervenärzten und Urologen, die häufig

hochpreisige Spezialtherapeutika verschreiben. Die Zahl der

Allgemeinmediziner in Nordrhein-Westfalen ist seit 2008 um

über 3% zurückgegangen. Es verwundert daher nicht, dass

es auch weniger Apotheken gibt. Deren Zahl ist jedoch noch

stärker – nämlich um 8% auf 4.332 (Stand Beginn 2016) – zu-

rückgegangen. Auch im vergangenen Jahr setzte sich dieser

Trend fort. Zum Jahresanfang 2017 gab es noch 4.281 Apo-

theken. Mit 1.998 Apotheken in Westfalen-Lippe ist die dorti-

ge Versorgung erstmals unter die 2.000er-Schwelle gerutscht

(Stand zum Jahresende 2017: 1.973).

Absolut gesehen ist jedoch die Insolvenzwahrscheinlichkeit

von Apotheken – gerade auch im Vergleich zu anderen Bran-

chen – nach wie vor sehr gering und die meisten Offizinen

Symbiose „Arztpraxis – Apotheke“ –

was der Ärztemangel auf dem Land bewirkt